Am 2. Juli 2022 hat der 8. Dyke* March Cologne stattgefunden. Während der empowernden Auftakt-Kundgebung auf dem Roncalliplatz riefen wir Menschen zu Solidarität auf und dazu, ihre Energie nicht in Grabenkämpfe innerhalb der Szene zu stecken. Ca. 2.000 Menschen zogen danach durch die Kölner Innenstadt. Die Demonstration war wunderbar laut, bunt, weithin sichtbarer und sehr freudvoll. Für dieses wundervolle Ereignis haben wir ein Jahr lang hart gearbeitet. Danke an alle, die dabei waren und den Dyke* March Cologne möglich gemacht haben.
Nach der Demo wurde der öffentliche Diskurs allerdings bestimmt durch einen kurzen Vorfall zu Beginn. Was war geschehen? Eine kleine Gruppe von ca. 10 Personen stand vor dem Museum Ludwig auf der Brücke und hielt Schilder hoch, auf denen transfeindliche Aussagen standen wie “Stop Transing the Gay Away”. Sie riefen Parolen wie “Lesben haben keinen Penis!”
Gemäß unserem Konzept zur gewaltfreien Deeskalation von Störungen begaben sich einige Ordner*innen auf die Brücke und ließen unser Transparent mit der Aufschrift “Dykes against Transphobia! Selbstbestimmung jetzt!” von der Brüstung hängen. Wir wurden dabei von den Störer*innen angeschrien: “Du musst dich selbst hassen! Du musst Lesben hassen! Wenn die Männer euch sagen, geh auf die Knie und lutsch meinen Schwanz, dann macht ihr das! Kaputt machen ist alles was ihr könnt. Ich will mit keinem Schwanz schlafen!” Darauf reagierten wir ruhig und deeskalierend: “Wir hassen niemanden. Niemand wird hier zu irgendwas gezwungen, jede kann lieben wen sie will.” Es kam zu mehreren Zwischenfällen, bei denen Störer*innen teilweise Menschen, die uns unterstützen wollten, an den Armen packten und körperlich massiv bedrängten bzw. die Faust drohend erhoben. Wir stellten uns jeweils mit ausgebreiteten Armen dazwischen und sprachen beruhigend auf alle Beteiligten ein, bis sich die Situation entspannte. Zum Schluss sagte dann eine der Störer*innen zu einer anderen: “Wir haben alles, was wir brauchen.” Daraufhin verließen sie den Rand der Demo.
Kurze Zeit später kursierten schon Videos und Fotos des Zwischenfalls im Netz. In den nächsten Tagen berichteten die Junge Freiheit, Schwullissimo und schließlich die Emma in erstaunlich ähnlichen Formulierungen und jeweils ohne jegliche Kontaktaufnahme mit uns, dass „auf dem Kölner Dyke March […] Lesben von Queer-Aktivisten angegriffen“ worden seien (https://www.emma.de/artikel/humboldt-uni-cancelt-vortrag-339641, Zugriff 12.07.2022 21:27).
Alle drei Publikationen ließen dabei geflissentlich unter den Tisch fallen, dass die Äußerungen besagter Lesben explizit transfeindlich waren und dass sie es waren, die die Situation körperlich eskalieren ließen. Stattdessen wurde vollkommen unkritisch deren Stilisierung zu unschuldigen Opfern übernommen.
Der Dyke* March Cologne leistet seit 9 Jahren konstruktive Arbeit in der Szene für die Sichtbarkeit und Rechte von Lesben und queeren Frauen. Wir haben mit dem Dyke* March Cologne einen Raum für alle geschaffen, die sich als Dykes* identifizieren, in dem sie ihre politischen Anliegen sichtbar auf die Straße tragen können, wo sie sich, ihre Solidarität und Gemeinschaft spüren können und sich gegenseitig empowern.
Unglaublich viele Menschen melden uns zurück, wie wichtig der Dyke* March Cologne als Energie spendende, solidarische, bunte, freudvolle Veranstaltung für sie ist. Wir haben uns sehr gefreut, dass unser besonderes Engagement für die queere Community in Köln 2020 vom Checkpoint Köln und der Aidshilfe Köln mit dem funkelnden Dankeschön ausgezeichnet wurde und wir dieses Jahr das Come-Together-HERZ erhalten haben.
Wenn sich also nun Menschen, die – soweit wir wissen – nicht an einem einzigen konstruktiven Projekt für die queere Community beteiligt sind, mit Parolen wie “Stop Transing the Gay Away” auf ihren Schildern an den Rand des Dyke* March Cologne stellen, wo sich 2.000 Menschen gerade über das Gemeinschaftserlebnis freuen, das wir ihnen mit dieser Demo ermöglichen und schreien “kaputtmachen ist alles was ihr könnt” – dann entbehrt das nicht einer gewissen Absurdität. Diese Menschen haben nie versucht, den Dyke* March Cologne konstruktiv mitzugestalten oder einen respektvollen Meinungsaustausch mit uns zu suchen.
Nach diesem Vorfall wurden rufschädigende Lügen über namentlich genannte Mitfrauen des Orga-Teams im Netz verbreitet. Es wurde behauptet, wir hätten Menschen körperlich angegriffen, Schilder und Fahnen geklaut. Nichts davon entspricht der Wahrheit. Die Videos von uns, aber auch die vollständigen Videos der Störer*innen, die wir gesichert haben, zeigen dies in aller Deutlichkeit.
Die Zielsetzung der Störer*innen scheint zu sein: Uns Angst machen, uns diskreditieren, den Dyke* March stoppen. Wie der Wegfall einer der wichtigsten Events für Lesben beim Kölner CSD die Anliegen von Lesben fördern soll, bleibt dabei unklar. Aber darum geht es ja offensichtlich auch nicht. Es geht um Spaltung. Es geht um Verschiebung. Es geht darum, dass trans* Menschen aus der lesbischen und queeren Szene ausgestoßen werden sollen. Es geht darum, uns unter Druck zu setzen, dass wir den am meisten diskriminierten und verfolgten Menschen in der queeren Szene die Solidarität aufkündigen. Das ist ungeheuerlich. Noch ungeheuerlicher ist es, dieses gewaltvolle Anliegen als “Schutz für Frauen und Mädchen”, als Einsatz für die Rechte von Lesben zu tarnen. Die Menschen, die für diese Störung verantwortlich zeichnen, haben niemanden geschützt, haben niemandes Rechte verteidigt. Sie haben Menschen, sie haben Lesben, gewaltvoll verbal attackiert und körperlich bedroht.
An den Ereignissen rund um das Lesbenfrühlingstreffen 2021 und der Debatte rund um den abgesagten Vortrag von Vollbrecht an der Humboldt-Uni sehen wir: Dieser Hass gegen trans* Menschen, bei dem diese als nicht existent, psychisch krank und als Bedrohung für Frauen und Kinder, als Bedrohung für Lesben dargestellt werden, wird gerade an vielen Stellen lauter.
Slogans wie das “Stop Transing the Gay Away” der Störer*innen beim Dyke* March Cologne implizieren, dass trans* Menschen eine Bedrohung für Lesben und Schwule darstellen und sind Teil dieser spaltenden, diskriminierenden Bewegung.
Hier wird angenommen und manchmal gar behauptet, eine kleine, besonders unterdrückte und diskriminierte Minderheit stelle alleine durch ihre Existenz eine Bedrohung dar. Manchmal wird auch kolportiert, diese besonders schutzlosen und verfolgten Menschen seien in Wahrheit sehr mächtig und würden der Gesellschaft ihre gefährliche Ideologie aufzwingen. Dabei handelt es sich um nichts anderes als Verschwörungstheorien, die Hass schüren sollen.
Der Dyke* March Cologne engagiert sich gegen Hass. Wir wehren uns gegen jede Art von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Der Dyke* March Cologne steht für eine solidarische, konstruktive, sich gegenseitig ermächtigende queerpolitische Arbeit mit lesbischem und feministischem Fokus. Das haben wir mit unserem Engagement in den letzten neun Jahren bewiesen. Das haben wir sehr deutlich in Worte gefasst bei unserer Anfangskundgebung, in der wir uns und alle anderen Menschen in der queeren Szene dazu aufrufen, nicht zu vergessen, dass das Wichtigste ist, dass wir einander schützen und füreinander und miteinander kämpfen.
Deshalb arbeiten wir jetzt schon am 9. Dyke* March Cologne. Auch wenn versucht wird, unseren Namen durch den Dreck ziehen, uns körperlich einzuschüchtern: Wir sind hier. Wir lassen uns nicht vertreiben oder verleumden.
» Ausführliche Dokumentation der Störaktion als PDF